Interview mit Frank Helbig - einem Bildkünstler aus Hannover.

Das Gespräch führte Nowaja Semlja, ein hochgeschätzter und etablierter Kunstkritiker.

Nowaja: Danke Frank, daß Du etwas Zeit gefunden hast, meine Fragen zu beantworten.

Frank: “willst´n Bier?”

N: Es ist noch früh am Morgen, ein Kaffee wäre mir lieber.

F: Kein Problem, Sathupradit kocht dir gleich einen. Frisch gemahlen, und mit kochendem Wasser überbrüht. So schmeckt er am besten, da trinke ich gleich eine Tasse mit. Weißt Du, Kaffee muß einfach frisch zubereitet werden. Aus einer Kaffeemaschine schmeckt er nicht.

Diese Kleinigkeiten sind für mich sehr wichtig. Ein neuer Tag muß harmonisch beginnen, und oftmals sind es die unscheinbaren Dinge am Rande, die aus einem ganz normalen Arbeitstag einen erfolgreichen Tag machen.

N: So etwas klappt aber nicht immer.

F: Da hast Du recht. Mitten im Winter, es herrschte ein strenger Frost, war ein Hochdruckgebiet und strahlend blauer Himmel vorausgesagt. An diesem Tag wollte ich unbedingt zu den Externsteinen. Also stellte ich den Wecker drei Stunden früher als sonst. Denn ich wollte zeitig vor Ort sein, und mußte die Anfahrtszeit berücksichtigen.

Bereits am Abend zuvor klappte es nicht so richtig mit dem Einschlafen. “Ich muß jetzt unbedingt einschlafen, sonst habe ich nicht genug Schlaf, und fühle ich mich wie gerädert”. Der Versuch, jetzt unbedingt einschlafen zu müssen, hinderte mich tatsächlich daran, in die Tiefschlafphase zu kommen.

N: Die Bilder habe ich mir angeschaut, Du hast die Landschaft eindrucksvoll festgehalten. Wieviele Bilder hast Du bei den Externsteinen aufgenommen?
(Linktip Externsteine: http://www.frankhelbig.de/Externsteine/index.html

F: Ich habe die Bilder nicht gezählt. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich noch mit Negativfilm und Diafilm. Ich kann Dir versichern, es war nicht angenehm. Denn ich mußte viel zu früh aufstehen, die Autobahn war streckenweise vereist.

N: Doch Du hast es geschafft, rechtzeitig vor Sonnenaufgang vor Ort zu sein.

F: Ich war sogar viel zu früh da. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und ich hatte nicht berücksichtigt, daß die Sonne im tiefsten Winter weiter südlich aufgeht. Somit lag die Landschaft in dunklem Schatten, und ich wartete stundenlang, bis das Licht günstig stand.
Während dessen waren meine Hände ans Stativ gefroren, wie man so schön sagt.

N: Gab es noch andere Mißgeschicke?

F: Auf dem Circular-Polarisationsfilter entdeckte ich einen Fussel. Ich pustete dagegen, und der Filter überzog sich mit einer dünnen Eisschicht. Bei Temperaturen von -15 Grad Celsius kein Wunder. Die Batterien haben vorzeitig ihre Stromspannung verloren. Seitdem setze ich nur noch Lithium-Batterien ein. Denn diese behalten auch bei tiefsten Temperaturen ihre Leistungsfähigkeit.

N: Du hast bestimmt auch ganz schön gefroren?

F: Ich war warm angezogen, es gibt diese herrlichen Underalls - bzw. Unionsuits - aus reiner Schurwolle.

N: Im weiteren Tagesverlauf stand das Licht günstig, richtig?

F: Mir sind einige herrliche Aufnahmen gelungen. Ich liebe diese tiefstehende Wintersonne, weil sich eine deutliche und tiefe Zeichnung ergibt. Die Schatten sind viel ausgeprägter, und man hat stärkere farbliche Kontraste. Gerade das Farbensehen ist für mich sehr wichtig. Im Winter hast Du die warmen Farben der tiefstehenden Sonne, und die hohe Farbtemperatur - also das kristallklare Azurblau - des Himmels.
Die Luft muß natürlich klar sein, sonst sieht es schnell trübe und grau in grau aus.

N: Manchmal sind mir Deine Bilder fast zu kräftig.

F: Ich habe eine Rot/Grün-Schwäche. Umgangssprachlich sagt man, daß ich Farbenblind bin. So etwas ist nur bedingt richtig, lediglich im rotgrün-Bereich kann ich nicht so feinfühlig differenzieren.
Bei der Farbenblindheit handelt es sich um eine Erbkrankheit, die von Müttern an ihre Söhne weitergegeben wird.
Kurioserweise erkranken Frauen hieran nicht.

N: Hast Du nähere Angaben zur Farbenblindheit?

F: Acht Prozent der männlichen Bevölkerung osteuropäischer Abstammung sind Farbenblind. Bei Frauen ist nur jede eintausendste - also ein Promille - hiervon betroffen.

N: Medikamente gegen Farbenblindheit scheint es nicht zu geben.

F: Es ist keine Krankheit. In meinem Auge befinden sich lediglich weniger Zapfen (die für das Farbensehen zuständig sind), dafür aber mehr Stäbchen. Vielleicht habe ich deswegen so ein gutes fotografisches Auge.

N: gelernter Fotograf bist Du aber nicht?

F: Ich sehe mich als Bildjournalist. Die gesamte Theorie habe ich mir autodidaktisch beigebracht. Hinzu kommt die Praxis. Schau mal, so ein Diafilm besteht aus 36 Bildern. Nach einer Photoserie kannst Du fast zwanzig Bilder davon wegwerfen. Zehn Bilder sind ganz o.k., also brauchbar, doch keineswegs überzeugend. Eins bis zwei Bilder sind top. Da freut man sich selbst, wenn einem eine schöne Aufnahme gelungen ist.

N: Woher kommt diese schlechte Ausbeute?

F: Gute Bilder gelingen nur, wenn man sich in einem Grenzbereich zwischen der erforderlichen Belichtung bewegt. Bei zu heller Belichtung verblassen die Farben, und bei Unterbelichtung “saufen” die dunklen Bereiche ab. Es fehlt die Zeichnung, die Tiefe. Doch gerade bei dieser gezielten Unterbelichtung kommen die Farben am besten zur Geltung. Leider steigt dann auch die Körnigkeit.
Und nach wie vor gilt: je farbkräftiger ein Film ist, desto geringer ist sein Belichtungsspielraum.

N: Wieso fotografierst Du nicht in der Mittagssonne?

F: Am schönsten ist es zur sogenannten blauen Stunde - also in dem Zeitraum nachdem die Sonne bereits untergegangen ist. Oder eben, eine halbe bis eine Stunde vor dem Sonnenaufgang. Doch generell ist es zu diesem Zeitpunkt zu dunkel. Man muß sehr lange belichten, was ein Stativ und eine Spiegelvorauslösung erforderlich macht. Erschwerend kommt der Schwarzschildeffekt hinzu. Filmmaterial verhält sich nicht linear, und die errechnete Belichtungszeit entspricht nie der erforderlichen Belichtungszeit. Dieser Schwarzschildeffekt ist kaum zu berechnen, und erfordert viel Erfahrung
Zu Deiner Frage, wieso ich nicht einfach zur Mittagszeit fotografiere:
Schau mal, die Sonne steht hoch im Zenit, Du hast kaum Schatten, keine räumliche Tiefe. Die Farbtemperatur der Sonne beträgt 5600 Kelvin (Normlichtart D56), das Himmelsblau kommt kaum zur Geltung - außer im Hochgebirge. Dort wäre es etwas anderes.
Desweiteren lassen sich auch Personen nicht gerne in der prallen Sonne ablichten. Das Licht ist grell, die Augen sind zugekniffen, die Augenringe und Krähenfüße kommen voll zur Geltung.

N: Für Portraitphotos bevorzugst Du also weiches Licht?

F: Unbedingt. Die Grundlage von Portraits ist immer sehr weiches und diffuses Licht. Wenn man keine Leuchtschirme im Wohnzimmer verfügbar hat, sollte man unbedingt nach draußen gehen, am besten bei diffusem Hochnebel. Dann gelingen sogar mit einer einfachen Kamera gute Aufnahmen. Wenn man mag, lassen sich immer noch Akzente setzen. Aber die Grundbeleuchtung muß stimmen.

N: Es ist wohl schwierig, eine stimmige Lichtsituation zu finden?

F: Als Photograf ist man “ein Sklave des Lichts”
Es ist vollkommen egal, wie teuer die Ausrüstung ist. Die essentielle Grundlage ist das Licht. Punkt. Es muß einfach stimmen.
Natürlich kann man tricksen. Vielleicht hast Du schon mal gesehen, wie Profis trotz grellem Sonnenlicht einen leistungsstarken Blitz verwenden.
Wozu braucht man bei Tageslicht ein Blitzlicht, wirst Du dich gefragt haben. Der Grund ist einfach: man muß die Schatten aufhellen, insbesondere bei Gegenlichtaufnahmen.
Und hier zeigt sich tatsächlich ein Unterschied zwischen Profi- und Amateurequipment. Für anspruchsvolle Aufnahmen benötigt man in der Tat schnelle Kameras, hochwertige Filme und genau zu dosierende Elektronenblitze.
Dennoch behaupte ich, daß man mit einer normalen Consumerkamera gute Bilder machen kann. Natürlich unter der Einschränkung, daß das Licht stimmt.

N: Geht bei so viel Technik nicht die Atmosphäre verloren?

F: Die Gefahr besteht in der Tat. Stelle Dir eine wirklich gemütliche Kneipenatmosphäre vor. Das Bier ist frisch eingeschenkt, Kondenswasser perlt am Glas herunter, angenehmer Zigarettenrauch liegt in der Luft, die Leute klönen nett, und der Raum ist von angenehmen Schummerlicht beleuchtet.
Für die Kamera ist es zu dunkel. Also muß geblitzt werden. Und ruckzuck ist die Atmosphäre zerstört, die Bilder sehen unterkühlt aus, ohne Charisma.
Solche Situationen sind sehr schwierig, insbesondere wegen dem Zwielicht, denn das warme Glühlampenlicht, mit einer Farbtemperatur unter 3000 Kelvin, trifft auf einen harten Elektronenblitz mit einer Farbtemperatur von 6500 Kelvin. So etwas kann nicht gut gehen.

N: Wieso verzichtest Du nicht auf den Blitz?

F: Die Belichtungszeit wäre zu lang, kaum ein Mensch kann zehn Sekunden oder länger richtig stillsitzen. Desweiteren würden die Glanzlichter fehlen. Also muß improvisiert werden. Sogenanntes indirektes Blitzen funktioniert nicht immer, denn in gemütlichen Kneipen ist die Decke meistens in dunkelbraun vertäfelt.

N: Was sind deine zukünftigen Projekte?

F: Zum einen der Feuerwerkswettbewerb in Herrenhausen. Es ist ein faszinierendes Lichtspiel, wenn tausende Raketen in den Himmel starten.
Die Raketen sind in den letzten Jahren viel farbintensiver geworden, es werden nicht mehr ausschließlich Brennkörper auf Magnesiumbasis verwendet, sondern Beimischungen von sogenannten seltenen Erden, die eine enorme Leuchtkraft bewirken.

Als nächstes steht das Thema “Ruhe” auf meiner umfangreichen To-Do-Liste. Ich hatte sehr hektische Momente und viel Streß in meinem Leben. Nun geht es um die Umsetzung der Stille und Gelassenheit. Ich weiß nur noch nicht, wie ich es umsetzen soll.

Desweiteren habe ich sehr viel umfangreiches Bildmaterial aus den vergangenen Jahren, welches noch überarbeitet werden muß.

N: Du manipulierst also deine Bilder?

F: Der Bildausschnitt wird anders festgelegt, störende Bildelemente werden entfernt, die Farben und die Helligkeit wird angepaßt.
Die Hauptarbeit besteht darin, die Bilder auf die geringe Auflösung herunterzurechnen, die das Internet zur Verfügung stellt.

N: Suchst Du noch Fotomodelle?

F: Ja, sicher doch. Wobei man sich nicht der Illusion hingeben darf, daß es mit meinen Photos etwas zu verdienen gibt. Ich mache es zum Spaß, und erziele keine Einnahmen hiermit.

Falls Modelle mit mir zusammenarbeiten möchten, ist der Spaßfaktor garantiert, und als kleines Dankeschön gibt es einen Link auf die eigene Seite, bzw. die Erwähnung des Namens. Vielleicht noch ein gemeinsames Mittagessen und Abendessen, mehr nicht. Etwaige Auslagen werden natürlich erstattet.

Für mein nächstes Projekt (Gothic) suche ich ebenfalls noch Modelle. Sie sollten keine Hemmungen haben, sich nachts im Mondlicht auf einem Friedhof fotografieren zu lassen. So etwas ist eine verdammt schwierige Situation. Es ist - für die Kamera - viel zu dunkel. Dennoch möchte man eine tolle gruselige Atmosphäre einfangen. Das Shooting soll Spaß machen, doch auf einem Friedhof sollte man die Würde der Toten unbedingt waren, und mit der notwendigen Ruhe agieren.

N: Ein Friedhof hat nichts mit deinen bisherigen farbenfrohen Bildern zu tun.

F: Ich stecke gerade in einer nachdenklichen Phase. Einige Bekannte meinen sogar, daß ich mich in einer Depression befinde. Diese Situation ist auch für mich neu, doch ich entdecke gerade die schwarze Welt, und finde gefallen an melancholischer und gothischer Musik.

N: Diese eher schwermütige Phase paßt aber doch nicht zu deiner ansonsten so aufgeschlossenen und lebensbejahenden Einstellung.

F: Unser Leben besteht nicht nur aus Freude. Da wo Licht ist, ist auch Schatten. Mir gefällt es, die dunkle Seite des Lebens kennenzulernen.
Vielleicht liegt es auch daran, daß meine Sinne geweitet sind. Wenn man sich gesund und vital ernährt, fällt es leicht, den Kopf freizubekommen, und auf die feinstofflichen Schwingungen zu achten.

N: Gehörst Du etwa auch zu dieser Rohkost-Sekte, die fast alle Lebensmittel völlig roh ißt?

F: So etwas hat mit Sekte nichts zu tun. Man muß sich nur einmal vor Augen halten, daß der Gebrauch des Feuers auf die Steinzeit zurückgeht. Diese Zeit mag eine Ewigkeit zurückliegen, doch der Mensch konnte sich hierauf noch nicht genetisch anpassen. Der Kochtopf ist ganz einfach eine Erfindung der Gegenwart - zumindest erdgeschichtlich betrachtet. Ich kenne kein Lebewesen in der Natur, der seine Speißen zerkocht.

N: Hast Du hierfür Beispiele?

F: Hast Du schon mal einen Schimpansen am Lagerfeuer gesehen?

N: Eine warme Mahlzeit am Tag benötigt man ganz einfach.

F: Ich gebe zu, daß es durchaus gemütlich ist, wenn man von einem anstrengenden Tag auf dem Feld nach Hause kommt, sich gemütlich an einen gedeckten Tisch setzt, und am Feuer wärmt. Auch mir schmeckt eine warme Suppe. Es geht jedoch auch um den Aspekt, daß eben nur rohe Speißen natürlich sind. Deshalb bin ich praktizierenden Rohköstler.

N: Es gibt Lebensmittel, deren Vitamine man im rohen Zustand nicht verwerten kann.

F: Angeblich. Wissenschaftler haben festgestellt, daß das Beta-Karotin von rohen Möhren nicht verwertbar ist. Diese Versuche haben im Reagenzglas stattgefunden. Ein menschlicher Körper ist kein Reagenzglas. Im Verdauungstrakt wirken Enzyme der Bauchspeicheldrüse. Wichtig ist es nur, z.B. rohe Möhren gründlich zu zerkauen und einzuspeicheln. Hierdurch geschieht eine enzymatische Vorverdauung.

N: Die meisten Menschen essen zu hastig.

F: Sehe ich bei uns in der Mittagspause. Man hat nur eine halbe Stunde Zeit, und muß einen großen Teller verspeisen. Kein Wunder, daß geschlungen wird.
Wenn man hingegen langsam ißt, und gründlich kaut, wird man auch von einer kleineren Portion satt.
Insbesondere für Rohkost sollte man sich Zeit nehmen, und seine Lebensmittel genießen.

N: Lieber Frank, wir danken dir für dieses informative Gespräch, und wünschen dir weiterhin viel Erfolg.

 

 

 

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